Wie er dasteht, so verloren. Und „jetzt auf einmal ist alles vorbei“ sagt. Es ist erschütternd traurig, das zu sehen, es macht einen selbst ganz hilflos.

Und so furchtbar das ist, es ist gut, dass darüber geschrieben wird. Torsten sieht das anders, er findet die Bild-Berichterstattung „ekelhaft reißerisch“ und vermutet Publicity- und Auflagengründe für das öffentliche Geständnis. Ich habe daraufhin mal bei bild.de reingelesen und finde das nicht: im Gegenteil, Assauer bekommt selbst sehr viel Raum, seine Tochter auch, der Rest des Artikels ist angenehm zurückhaltend und einfühlsam.

Dass Assauer seinem boulevardnahen Stil treu bleibt, ist schlüssig. Dass er nur Werbung für sein Buch machen will, kann man ihm ernsthaft nicht vorwerfen. Es gibt eine Tendenz dazu, jede öffentliche Debatte zu diskreditieren, indem man sagt: „Mit diesem Thema verdient jemand Geld.“ Meistens: die Zeitungen, der Autor, der Filmemacher. Es ist auch immer wahr, dass damit jemand Geld verdient, bei jedem Thema, gerade das macht das Argument so beliebig und nutzlos.

Tatsächlich ist man auf Öffentlichkeit angewiesen, wenn man ein Thema hat. Zu bewerten ist dann, wie wichtig dieses Thema tatsächlich ist: und Alzheimer, Krankheit überhaupt, ist ein großes, wichtiges völlig unterrepräsentiertes Thema. Im allgemeinen gehen wir mit Kranken so um, dass wir sie einpferchen in Pflegestationen, häufig in riesigen Gebäudekomplexen mit dutzenden weiteren Pflegestationen, sie wegsperren und vor allen Gesunden verstecken. Man spricht nicht über sie, man schließt sie dort ein, um sie zu vergessen. Das ist das schlimmste an Krankheiten dieser Art: die vollständige soziale Isolation, die mit ihr einhergeht. Und nicht nur, weil man selbst immer schwerer kommunizieren kann – sondern auch, weil niemand mehr mit einem kommunizieren will.

Man merkt das auch an all diesen Artikeln, die jetzt über Assauer geschrieben werden: sie klingen wie, nein, es sind Nachrufe. Man spricht über ihn, als wäre er bereits tot, man legt ihm Blumen ans Grab, erinnert sich seiner und gibt sich betroffen. Selbst Assauer selbst übernimmt diese Haltung, wenn er sagt, es sei jetzt alles vorbei: ist es nicht. Es ist nur auf einmal alles ganz anders. Und es wird furchtbar enden. Bis dahin ist noch etwas Zeit, aber es wird furchtbar enden.

Ist es pietätlos, das mitzuverfolgen? Nein, ist es nicht. Es ist sogar zu hoffen, dass jemand wie Assauer den Mut findet, diese Krankheit bis ganz zum Ende zu dokumentieren, und es ist zu hoffen, dass jemand diese Dokumentation aufzeichnet. Die Bild mag dafür ein denkbar schlechter Partner sein, aber das ist die Wahl des Kranken selbst.

Nein, es geht nicht um Publicity, es geht um Öffentlichkeit. Alzheimerpatienten im Endstadium schreien viel, weil sie sich anders nicht mehr ausdrücken können. Man muss das mal gehört haben. Nein, schön ist das nicht, es ist kaum auszuhalten. Aber man muss das mal gehört haben. Meinetwegen kann Assauer mit den Buchverkäufen Millionen machen, wenn sich dadurch der Umgang dieser Gesellschaft mit Alzheimer und ähnlich verheerenden Erkrankungen verbessert.

Es gab da mal die Jauch-Sendung. Über Demenzkranke. Das Publikum wusste nicht, worum es geht, als es die Karten kaufte. Wer Erfahrungen mit Demenzranken habe, war die Frage. 49 Prozent sagte „Ja, habbich“.

Hallo Rudi Assauer. Du warst ein Arschloch, herzlich willkommen. Es wird scheiße, aber hallo. Hallo, wir sind da.