Ich wünschte sehr, wir hätten ein anderes System als das Gefängnis, um Straftäter zu bestrafen. Ich wünschte sehr, ich wäre zu einem Gerechtigkeitsgefühl in der Lage, wenn der Hoeneß-Prozess zu Ende sein wird. Aber es wird sich sicherlich nicht einstellen.

Es ist so: Genugtuung finde ich grauenhaft. Natürlich ist es absurd, dass ausgerechnet Uli Hoeneß, der so gerne von seiner Moral daherschwadronierte, der immer „den kleinen Mann“ vor Augen hatte, und dem es egal sei, ob er „20, 50 oder 100 Prozent Steuern zahle“. Wie vieles von seinen volksnahen Zitaten inzwischen verdampft ist. Er ist ein moralischer Wichtigtuer, ja, selbstgefällig und aufgeblasen.

Und ja, er steht einer Partei nahe, die fortwährend „die volle Härte des Gesetzes“ zur Anwendung bringen will. Und ja, wenn ich bei einem Hartz4-Antrag eine Zeile vergesse und meine Unterlagen in Kompostschichtung einreiche, wird der Staat nicht zögern, mich trockenzulegen. Und weiß Gott, mir fielen noch dutzende populistische Vergleiche ein, die eventuell sogar nach einer näheren Betrachtung Bestand hätten.

Die Frage ist aber, ob für Steuerhinterzieher das Gefängnis der richtige Ort ist. Und nicht nur für Steuerhinterzieher: in Berlin kann man sogar wegen Schwarzfahren eingelocht werden. Es sind viel zu viele, die in Deutschland im Gefängnis sitzen, und das wäre die Gelegenheit gewesen, auch darüber einmal zu reden.

Ich kann von (beispielsweise) Bernd Riexinger nicht enttäuschter sein als jetzt, wo er den harten Hund gibt. Klar würde es dem Rechtsempfinden vieler Bürger widersprechen, müsste Hoeneß nicht ins Gefängnis; aber es widerspricht auch dem Rechtsempfinden vieler Bürger, dass Vergewaltigern nicht der Penis abgeschnitten wird. Das Rechtsempfinden vieler Bürger ist allerdings auch geprägt von Ahnungslosigkeit, Unkenntnis und Empathielosigkeit.

Man sollte sich die ganze Geschichte mal nicht vom Bürger aus ansehen, sondern vom Gefängnis aus, wie Bernd Maehlicke das tut:

Wenn ich mir den Zustand des Strafvollzugs in Deutschland insgesamt anschaue, könnte ich manchmal schreien. Besonders junge Menschen werden oft im Gefängnis erst zu Verbrechern gemacht – und somit zu einem noch größeren Problem für die Gesellschaft. Und Millionen von Euro werden auch noch falsch investiert. All das müsste nicht sein. Es gibt die richtigen Konzepte, es gibt viele gute Leute, die sich auskennen. Aber es gibt einen Zeitgeist, der das nicht zulässt. Da ist in erster Linie die Politik verantwortlich, aber auch die Medien haben einen entscheidenden Anteil.

Ich wünschte, wir hätten eine kreativere Art zu strafen als Leute zusammenzupferchen. Vielleicht würde sich dann bei mir auch mal wieder sowas wie Rechtsempfinden einstellen.