Wenn ich zum Karstadt hier ums Eck gehe, denke ich immer an Mario Gomez.

Immer.

Das liegt an der Drehtür. Aktionsradius 5 Meter, kann außerdem nur eine Sache, die aber dafür erstaunlich gut: immer dreht sie sich zu schnell. Keine Oma, die den Karstadt schonmal betreten hat und ein zweites Mal diese Tür nutzt; kein Hund mit Widerristhöhe unter 30 cm, der nicht schon beim Anblick des Kaufhauslogos das hecheln beginnt. Niemand mit Knie-OP, der nicht schon einmal vor lauter Wut gegen die Glastüre getreten hätte.

Ich springe da ein bisschen kurz, Mario Gomez kann mehr als sich drehen. Er ist schnell, kopfballstark, beidfüßig, und wahrscheinlich hat er schon seit Jahren nicht mehr geduscht, denn erstaunlicherweise ist um ihn herum immer Raum. Man könnte Mario Gomez auf eine kleine, verwinkelte Kreuzzung stellen für eine Nacht, danach wäre sie so weitläufig wie der Platz des Himmlischen Friedens. Mario Gomez dehnt den Raum.

Es ist kein Geheimnis, dass ich kein besonders großer Fan von Mario Gomez bin. Es ist zum einen diese lässige Uneleganz, die mich zusammenzucken lässt. Wenn der Ball von Ribéry auf Gomez geht, kommt er mir vor, als würde er während des Passes schrumpfen: das kann doch nicht das gleiche Objekt sein, das sich vom einen so willenlos und hingebungsvoll schmeicheln lässt, und beim anderen plötzlich aussieht wie die Nähnadel in der Hand eines Donnerriesen. Der sie ja trotzdem zu handhaben weiß, klar, aber ich habe keinen Blick für diese angestrengte Könnerschaft, die so überhaupt nicht virtuos wirkt, sondern brachial und ein wenig ungelenk.

Das andere ist: Er ist ein Stürmer, der nur bei Spielzusammenfassungen gut aussieht. Man kann stundenlang Bayern-Material zusammenstellen, wo man ihn schlicht nicht wahrnimmt, wo er nicht stattfindet, und wenn er dann ganz plötzlich auftaucht, ist alles vorbei. Im Grunde ist er, Mario Gomez, Slenderman.

Ich mag den Spielstil nicht, den er einer Mannschaft aufdrückt. Der Fußball unserer Zeit unterscheidet sich von dem der 90er Jahre maßgeblich dadurch, dass Bälle auf den Stürmer nicht mehr Bälle in die Spitze sind. Es gibt Ausnahmen, Freiburg mit Cissé, die hunnenhaften Konterüberfälle Hannovers vor zwei Jahren, aber im Grunde ist ein Stürmer inzwischen auch eine Relaisstation, die aus einem komplizierten Anspiel einen schönen Spielzug machen können soll.

Das ist ja nun gar nicht Gomez Metier, obwohl er sich redlich mühte, auch mal einen Ball abzulegen. Aber seine ganze Technik, sein ganzes Fußballerwesen ist auf den Todesstoß ausgerichtet. Man nennt ihn den Torrero, dabei ist er doch der Puntillero, jener Helfer, der nach von anderen getaner Arbeit dem Stier endgültig den gar ausmacht.

Ich glaube, Gomez ist bei einer schwächeren Mannschaft, die weniger spielerisch dominant sein kann als die Bayern, besser. Warum nicht Florenz, da fehlen ohnehin noch weite Plätze.