Gruppe A
Frankreich – Rumänien 2:1
Albanien – Schweiz 0:1

Wenn Analyse nix bringt, hilft nur noch Psychologie. Dutzende Male habe ich wie ein besoffener Papagei vor mich hingemurmelt: perfektes Tor, perfekter Zeitpunkt, perfekter Schütze. Perfekt, perfekt, perfekt. Leider funktioniert Suggestion bei mir nicht, sonst könnte ich längst fliegen.

Was gut war: Payet mit seinem Zirkusschuß, und Kanté auch, in dessen Ahnengalerie man, forschte man genug, mit Sicherheit einen Rammbock entdecken könnte.

Was nicht so gut war: die Flügel. Frankreich ist ein Pinguin auf Landgang. Die Flügel sind nicht dafür da, wofür sie bei anderen Mannschaften dienen. Bei Frankreich sind sie dazu da, dass von außen jemand in die Mitte laufen kann. Insbesondere Griezmann, der da außen gar nichts mit sich anzufangen wußte. Hin und wieder schaute er unsicher zur Bank, ob ihm nicht demnächst einer was zu lesen bringe.

Und zu Giroud sag ich nix. Das haben glaube ich alle gesehen, trotz des Tores.

Für die Gruppe reichts, danach muss ich in eine Kirche, ein paar Kerzen anzünden.

Glückliche Fügung, dass Schweiz und Albanien bereits am zweiten Tag gegeneinander spielten, werweiß, wie lang uns sonst diese Schmalz- und Schmerzgeschichte sonst begleitet hätte. Das unglückliche Brüderpaar! In verschiedenen Uniformen! ZDF-Zweiteiler! Die Storyline hab ich schon häufiger gehört, allerings war das Setting normalerweise sowas wie der Erste Weltkrieg o.s.ä.

Gruppe B
Wales – Slowakei 2:1
England – Russland 1:1

Wales-Slowakei habe ich nicht gesehen, nur einen kurzen Blick auf die slowakischen Spieler hab ich erhascht. Hinterher habe ich mit viel Vergnügen die teils ungläubigen Gesichter meiner Mitmenschen betrachtet, die das Spiel gesehen haben und sich fragten: Wie kann eine Mannschaft, die Deutschland schlug, von Wales besiegt werden?

England-Russland hingegen war großer Spaß. Wie ein Rudel junger Hunde sprangen die in Weiß da übers Feld, übermütig herumtollend, sich ihrer Kräfte nicht vollends bewußt, immer eine Spur daneben in der Kräftedosierung, aber mit sichtbar Spaß an der ganzen Chose. Und dann kommt da in der letzten Minute so ein Brocken und macht mal alles platt. Ein Spiel wie eine Roadrunner-Folge.

Über Akinfeev und die Tragik des Torhüters steht noch ein bißchen was in der taz.

Gruppe C
Polen – Nordirland 1:0
Deutschland – Ukraine 2:0

Ich weiß nicht, was alle mit Toni Kroos haben. Jaja, sicher, guter Spieler, jaja sicher, Passgenauigkeit und Packing-Wert und all das, aber mal im Ernst: Immer, wenn Kroos gut ist, ist das Spiel sterbensöde. Wenn der Fußball ein Zirkus ist, ist er der Dompteur. Er knallt hier mal mit der Peitsche und zeigt dort mal auf einen Sturm, und Khedira, Müller, Götze, Özil usw. rennen dahin und dorthin. Das hat etwas sehr meditatives, aber ein wenig öfter ein überraschender Pass, ein bisschen Konfetti, irgendein Hoppala! Toni Kroos ist nicht das Herz der Mannschaft, es ist die Herzlungenmaschine.

Die erste Halbzeit konnte ich nicht sehen, sie soll offenbar sehr anders gewesen sein. Hoffentlich kommt das noch häufiger vor, dieses anders.

Wie Nordirland seine Qualifikationsgruppe gewinnen konnte, ist eines jener Rätsel, die nur van Däniken erklären kann. Das ist wahrscheinlich die einzige Mannschaft des turniers, wo die Leute, di schimpfend vor dem Fernseher sitzen und sagen, das könnten sie auch, Recht haben. Andererseits ist es freilich von verzweifelter Schönheit, vierzig Meter vor dem Tor zu einem Fallrückzieher anzusetzen.

Gruppe D
Türkei – Kroatien 0:1
Spanien – Tschechien 1:0

Ich weiß noch, wie ich als Kind mit höxschter Faszination meiner Großmutter beim Stricken zusah. Das ging taktaktaktaktaktaktaktak, und fertig war der Ärmel. Den Kroaten zuzusehen, hatte bisweilen Ähnlichkeiten: Rakitic und Modric, das waren die beiden Nadeln; der Ärmel, das war das Spiel; meine Oma, okay, das Bild geht nicht ganz auf.

Ein Halbfinalist, würde ich meinen.

Spanien offenbar auch, nach den 30 sekunden, die ich ruckelfrei im Stream habe sehen können. Das ganze Spiel lief für mich ungefähr so ab: (40 Sekunden Buffern) – irgendwer sagt Iniesta – (30 Sekunden Buffern) – irgendwer sagt Iniesta – (20 Sekunden Buffern) – irgendwer sagt Morata im Abseits – (Stream bricht ab).

Gruppe E
Irland – Schweden 1:1
Belgien – Italien 0:2

So geht Fußbal. Genau so, wie Italien ihn gespielt hat. Das war absolut beeindruckend, wie sie immer weider genau jene Sorte Pässe spielte, von der sie nicht wussten, ob das jetzt hinhaut oder nicht – nicht so sehr, weil sie ungenau gespielt waren, nein, das war durchaus geplant. Aber Pässe nahe der Unerreichbarkeit fordern von Mitspieler und Gegner alles, sie wollen was von einem. Dass Italien den fantasievollsten Fußball spielt, dem ich bisher bei der EM habe sehen dürfen – …

Irland – Schweden habe ich leider auch nicht sehen können; bemerkenswert allerdings die systemische contradictio in adiecto, die der Fußballjournalismus in der Berichterstattung über Schweden an den Tag legt: selbst wenn man nicht über Ibrahimovic spricht, muss man darüber sprechen, dass man nicht über Ibrahimovic spricht, und spricht also wieder über ihn. Er hat die Fußballberichterstattung gekapert

Gruppe F
Portugal – Island 1:1
Österreich – Ungarn 0:2

Die gleiche Einfallslosigkeit, die das Witzegewitter zur Partie Österreich – Ungarn begleiete, zeitigte auch das österreichische Spiel. Österreich ist ein Depp – allerbeste Voraussetzungen, das Spiel von Anfang an im Griff, und irgendwann – seis aus Schluddrigkeit, seis aus Unbeherrschtheit – lassen sie das einfach liegen, wie man versehentlich seine Tasche in der U-Bahn liegen lässt. Es hatte freilich schon etwas ausgesprochen rührendes, wie Ungarn das Nichts, das ihr kreatives Mittelfeld ist, immer wieder zurannte, das Fehlen einer eigenen Kreativität schlicht mit Arbeit kompensierte. Kleinheisler, dieser Teufel! Kann nix, macht davon aber alles mit doppelter Verbissenheit, bis doch irgendwas dabei rumkommt.

Wie war Ronaldo?