Ich bin ein großer Fan des sinnlos athletischen Spiels mancher afrikanischer Mannschaft, letzte WM von Ghana, diese von der Elfenbeinküste, Nordkorea war auch so ein Fall gewesen. Ich sagte es bereits auf Twitter, bezüglich der Elfenbeinküste: Auch nach diesem Spiel habe ich keine Ahnung von Raumaufteilung und Spielsystem dieser Mannschaft, ich weiß nur: ich liebe es. Jeder Zweikampf ein verdammtes Abenteuer, geht irgendwas schief, explodiert an anderer Stelle irgendwas. Wie ein Actionfilm von Godard. Völlig egal, ob es Erfolg hat: Wenn ja, ist es wunderschön, wenn nein, sieht der Gegner aus wie ein verklemmter Spießer.

Bei Eingland erkenne ich Ansätze dieses Spiels, auch bei Frankreich; bei Brasilien und Argentinien in manchen Momenten. Der Hang zur Disziplinlosigkeit, das Vertrauen in den Mitspieler, nach einer eigenen verkackten Aktion würde er schon die richtige waghalsige Grätsche setzen, mithin die gegenteilige Spielanlage als jene von, sagen wir, Mannschaften mit Toni Kroos in der Mitte, das alles begeistert mich, weil es so schwer zu durchschauen ist. Jeder verlorene Zweikampf könnte der letzte sein, Fußball ist hier – mit vollem Einsatz gespielt – ein sehr ritterliches Spiel.

Vielleicht ist das ein Merkmal jener Mannschaften mit fünf bis sieben Spieler im Kader, die in der Liste der bedeutendsten Menschen über sich noch Jesus und Winston Churchill dulden. Wie so Prenzlberg-Klassen, in denen achtzig Prozent der Schüler irgendeine Hoch- oder Inselbegabung haben. Und die Eltern, das sind die Medien. Vielleicht ist der Misserfolg der Engländer ein Erziehungsmisserfolg der Sun. Und die Befriedigung am Scheitern solcher Mannschaften entsteht durch den Riss in der Erzählung von den Stars, weil der Boulevard seine Versprechungen nicht einlösen kann.

Wobei ich heute den Engländern alles Glück der Welt gewünscht habe. Der südamerikanische Fußball, der ja irrtümlicherweise oft mit Zauberei und Schuhplattlerei gleichgesetzt wird, hat seinen eigenen Reiz; aber mir würde es schwerfallen, auf einem Schwarz-Weiß-Fernseher Chile, Uruguay, Ecuador und Kolumbien an mehr als nur Details zu unterscheiden. Ein wenig Irrsinn zwischen all der Disziplin, das schafft Abwechslung.

Obwohl Uruguay natürlich ein Zaubertor geschossen hat. Ein idealer Ball von Cavani, ein Laufweg von Suarez, den die englische Mannschaft für den Pfad der Verdammten gehalten muss; unbegehbar. Sie wurden eines besseren belehrt. Bei zwei gegen fünf müssen bei den Engländern im nächsten Training immer fünf in die Mitte.

Und im Gegensatz dazu dieses Gewöll von einem Spielzug, das England zum Ausgleich gebracht hat; Johnson fällt in den Ball, als wäre er versehentlich aus dem Bett auf ein Skateboard getreten; und dann kommt der Ball derart ideal zu Rooney, dass der nicht mehr ins Grübeln kommen kann.

Und das übrigens vor allem deswegen, weil Uruguay am Ende offenbar die Luft ausgegangen ist. Schien fast so, als spielten die auf halbe Lunge; dafür spielte England zu ihrem Glück ohne Hirn. Wie man einen Ball, der länger in der Luft ist als ein Flug von New York nach Paris, derart bescheuert unterlaufen kann, wie man als Torhüter sich dann derart schnell langmacht, wenn Suarez am Fünfereck auftaucht – es gibt zum Glück in der englischen Sprache sehr viele Schimpfworte, die als Antwort durchgehen könnten.

Sehr gut finde ich übrigens die Tendenz zu langen Nachspielzeiten, wenn Spieler schon ab der 30. Minute anfangen, auf dem Feld ein Zwischenschläfchen zu halten. Wenn ich mir noch was wünschen darf: eine konsequente Bestrafung taktischer Fouls wäre schön.