Das verstehe ich nicht. Warum weigert sich England denn, in die Zweikämpfe zu gehen? Mal einen Schritt raus gehen und nicht bloß im Raum stehen wie eine dekorative Zimmerpflanze! Hat Hodgson ihnen denn keine videoaufzeichnung von Hastings gegeben, um den Spielern zu zeigen, wohin sowas führt?

Ich muss übrigens gestehen, ich bin großer Sturridge-Fan. Diese Art zu spielen hat etwas Unprätentiöses und Unschuldiges. Der rennt immer so lang geradeaus, bis irgendwann eine Wand kommt, anders kriegt er sich nicht mehr gestoppt. Man spürt, dass er mit dem Rückenmark denkt, wie selbstvergessene Kinder, wenn sie mit sich selbst spielen: Happ, zack, rumms, und jetzt! Diese naive Leichtigkeit, in Verbindung mit der enormen Energie; mich erinnert es immer daran, dass es Menschen geben muss, die das Leben einfach finden. Sturridge zuzusehen hat etwas davon, einen etwas zu flachen Film zu sehen, der einen aus unerfindlichen Gründen seelig macht (ehe man beginnt, darüber nachzudenken).

Bis jetzt haben wir ja schon viele schöne Tore sehen dürfen, natürlich blieb es Italien überlassen, da einen Gegentrend zu setzen: wie Barzagli in der 22. den Pass von Welbeck entzaubert, das war Poesie. Der Ball läuft recht schnell an ihm vorbei, in seinem Rücken steht Sturridge, er kann ihn fast nur aufs Tor klären, wenn er ihn zentral trifft, also was macht er? Er fährt mit der Schuhspitze darunter und hebt ihn leicht an; gerade so, dass Sturridge nicht mehr umdisponieren kann, und der Ball ins Seitenaus dröppelt. Man müsste ein gif daraus machen und es Marcelo ein Jahr lang auf sein Haus projezieren; vielleicht mach ich mir das als Bildschirmschoner.

England mit den besseren Chancen, sagt der Mann im Fernseher, ich weiß nicht; natürlich hätte ein Tor fallen können, bei den Schüssen aus der vierten Reihe, es werden schließlich auch Leute aus heiterem Himmel vom Blitz erschlagen. Bloß die Wahrscheinlichkeit ist eben nicht sehr hoch, dass daraus was wird, und wenn doch, dann für Italien. Andrea Pirlo mit einem veritablen Hütchenspielertrick, und kein Engländer hat verstanden, unter welchem Italiener die Kugel liegt; und als sie es wussten, wars schon zu spät. Da schnitt sich der Ball durch die Abwehr wie durch eine Sahnetorte.

Also England will anfangs nicht so recht in die Zweikämpfe, und Italien führt einsnull, um sich dann – auskontern zu lassen. Something something wtf. Bei dieser WM gilt nichts von dem, was zuvor galt, ich bräuchte einen Pivat-Galileo, der mir das alles mal auseinandersetzt.

Kaum hat man sich vom Wort am Sonntag erholt, wurde Italien humorlos; sahneweiche Flanke Candreva, und Balotelli im Fünfer. Wie ein Land, das Kirchen baut wie den Petersdom, seine Züge derart schnörkellos herunterspielen kann, keine Ahnung.

In der zweiten Hälfte spielte England dann im Grunde völlig ohne Außenverteidiger; ich glaube, für Baines war das beste am Tag, dass er sein Trikot richtigherum anhatte. Ab der 75. war dann eigentlich die Luft raus; für Pässe über drei Meter Länge hätte man schon ein Taxishuttle einsetzen müssen. Italien stand einfach da und wartete, bis es Zeit wurde, nach Hause zu gehen. Am Ende, in der Nachspielzeit, stand noch nicht einmal mehr ein Engländer im italienischen Strafraum; so wenig Kraft war da noch.

Nun denn, England, das wird wohl knapp werden.

PS: Elfenbeinküste gegen Japan werde ich mir an dieser Stelle klemmen; zu den Spiele morgen wirds erst übermorgen etwas zu lesen geben. Frankreich muss ich blutenden Herzens, unter lieben Menschen, die Taschentücher bereithalten für den Fall, dass alles so kommt, wie ich es erwarte; ein kleines wenig Hoffnung bleibt ja, denn bisher kam überhaupt nichts, wie ich es erwartet habe.