— Schnipp —

Das mit den Field-Interviews hat diesmal ja nicht so gut geklappt. Nach den Spielen wollten die Journalisten gerne wissen, wie großartig auf einer Skala von „hab gerade einen Lolli geschenkt bekommen“ bis zu „goldener Schuß“ die Spieler so sind. Bloß: die gingen zum Lachen lieber in die Kabine. „Müde“ sei er, sagte Boateng nach dem Sieg gegen die Niederlande, zur völligen Konsternation des Interviewers. Der war derart überrascht, dass er ins Stottern kam.

Es ist nicht Aufgabe solcher Interviewsimulationen, Informationen zu übermitteln. Tun sie auch nicht, weiß man ja, Studien belegen das auch. Es sind zwei Funktionen, die diese Interviews erfüllen:

Erstens: Marken zu platzieren. Das stimmt für die Sponsoreninterviews im Hintergrund, das stimmt aber auch für die Spieler, die durch ihre Fernsehpräsenz ihren Marktwert steigern. Wenn man demnächst mehr vom bisher angenehm zurückhaltenden Özil hören wird, liegt das nicht daran, dass er mehr zu sagen hat, sondern dass sein Management beschlossen hat, ihn besser zu positionieren.

Zweitens: der symbolsiche Akt der Selbstüberhung. Journalisten zeigen, wie nah am Spielgeschehen sie dran sind. Da, wo normale Fans nie hinkommen: da sind sie. Weil es im Fernseh-Sportjournalismus nicht um Informationen, sondern um Emotionen geht, muss man zeigen, wie nah am Geschehen man dran ist. Dazu war es irgendwann nötig geworden, dass man das Fernsehen selbst sichtbar macht: Es wurde dann üblich, die sogenannten Field Reporter (Frontschweine im Branchenjargon) mit ins Bild zu nehmen, wenn ein Interview geführt wurde. Noch offensichtlicher wird dieser obskure Grundsatz bei den Aufnahmen vor dem Spiel: aus kaum erfindlichen Gründen haben sich alle Redaktionen darauf verständigt, während der Seitenwahl ein Mikrofon in die Runde zu halten, wenn sich die gegnerischen Spielführer und die Schiedsrichter darauf verständigen, wer auf zunächst auf welches Tor spielt und sich anschließend ein tolles Spiel wünschen. Und weil man da schlecht einen Moderator daneben stellen kann, repräsentiert ein kleines graues Büschel in der Bildmitte das komplette Medium.

— Schnipp —

A propos Fernsehberichterstattung: man glaubt es zwar nicht, aber es könnte schlimmer sein. Beweise? Erstmal ein kurzer Blick in die Vergangenheit; und jetzt die italienische Gegenwart:

— Schnipp —

Ich muss sagen, ich fand die Experten weniger schlecht als gewöhnlich. Sowohl Scholl als auch Kahn haben mich immer wieder mit Aussagen überrascht, die den Einschätzungen der (allerdings dieses Mal tatsächlich unerträglichen) Kommentatoren diametral entgegengesetzt waren – und richtig. Kahn lobte die Spanier in Momenten, da ganz Twitter vor Langeweile aufjaulte, und obwohl er in Küchenpsychologie promoviert hat, hielten sich seine Einlassungen über mentale Stärke usw einigermaßen in Grenzen.

Und Scholl hatte mit seiner Gomez-Kritik nicht nur eindeutig recht. Er sorgte auch für einige Synapsenkurzschlüsse bei deutschen Sportberichterstattern. Paradigmatisch die dpa-Meldung zum Thema:

Auch sonst lohnt sich der Einsatz des lustigen und listigen Ex-Profis für die ARD, doch nicht jeder Moderations-Gehilfe sorgt tatsächlich für einen Mehrwert. Der Sinn des Experten-Einsatzes erschließt sich deshalb nicht jedem. Wann gab es schon einmal eine so vorlaute Bemerkung? «Ich hatte zwischendrin Angst, dass er sich wund gelegen hat, dass man ihn wenden muss», hatte Scholl nach dem ersten EM-Auftritt ausgerechnet über den deutschen Siegtorschützen gegen Portugal gelästert und damit fast das Niveau von «Waldis Club» erreicht.

Entschuldigung, aber: Was? Der Einsatz hat sich gelohnt, brachte aber nichts? Man braucht keine Experten, wenn sie mal was pointiert zusammenfassen? Und, fachlich: Ist Gomez tatsächlich mehr gelaufen, weil er ein Tor gemacht hat? Oder verbietet es sich, über eine Laufleistung zu sprechen, wenn einer ein Tor gemacht hat? Ich bräuchte bitte einen Experten, der mir diesen Absatz erklärt.

— Schnipp —

So, Herrschaften, Tore raten!

— Schnapp —