Fußball ist Krieg. Das stimmt natürlich nicht, aber es sagt sich leicht, weils so viele schonmal gesagt haben. Was außerdem zu diesem Irrglauben verführt: Fußballreportagen klingen mit ihren martialisch scheppernden Metaphern, als würde Ernst Jünger über den 100jährigen Krieg schreiben.

Klar ist die Fußballsprache voller Säbelrasseln, schon die basalsten Begriffe kommen im Waffenrock daher: das beginnt bei Torschuß, Treffer, Angriff und Verteidigung, geht über Fußballkampf, Abwehrschlacht und werderaner Lazarette bis hin zu ganz elaborierten, findigen Ausschmückungen, dass Cissé bei Newcastle einschlägt wie eine Granate, dass der Freiburger Strafraum belagert wird, oder dass Podolski mal wieder den eigenen Mann angeschossen hat.

Viele finden das bedauerlich, dass sie sofort wie Kaiser Wilhelm klingen müssen, sobald sie über ein Spiel referrieren, und ihre Sprachmelodie stante pede zum Militärmarsch wird. Das müsste, so der Konsens, eigentlich abgeschafft werden, und es verwundert deswegen, dass sich noch kein Verein pazifistischer Fußballanhänger gegründet und an die Ausarbeitung eines neuen Wortschatzes gewagt hat. Wie sagt man politisch korrekt für „jemanden umsäbeln“?

Vielleicht, weil man zwar übereinstimmt, dass das Bellizismen aus der Fußballsprache zu verbannen ist; aber nicht klar ist, an welchen Bildern man sich bedienen will. Dabei liegt das doch auf der Hand: die sprachlichen Abziehbildchen der Reporter speisen sich ja nicht nur aus Stalingrad, sondern auch aus Muttis Besenkammer. Das ist nämlich die zweite große metaphorische Säule des Fußballsprechs: die Sprache der Hausfrauen.

Beispiele? Massenhaft. Da werden Fehler ausgebügelt, es gibt Staubsauger vor der Abwehr, natürlich, der Kasten muss ja saubergehalten werden, deswegen wird ja auch fortwährend abgestaubt und weggeputzt, dass es Kristina Schröder eine heile Freude ist, hin und wieder wird eine Mannschaft durch die Mangel gedreht, dem Favoriten eins ausgewischt oder man kann den Ball abtropfen lassen (wenn man es denn kann, nicht wahr, Jêrome Boateng!), damit auch ja nix anbrennt. Und auch die hohe Kunst des Nähens findet seine Entsprechung in der Fußballwelt: schließlich sind Löcher zu stopfen, Nadelstiche zu setzen, und wenn alles nichts mehr hilft, versucht man, im Strafraum einzufädeln. Falls einem nicht zuvor das Schienbein poliert wurde.

Ein ganz eigenes, aber doch verwandtes Feld sind die Lebensmittelanalogien, die uns im Dutzend begleiten. Leider meistens negativ, abgesehen von Bananenflanken, Zucker- und Sahnepass. Häufig werden sie zu verniedlichenden Beschimpfungen missbraucht, Graupe, Grütze, Gurke, bei Bedarf kann Kevin Kuranyi sicher noch ein paar Beispiele drauflegen. Und zu guter letzt: Was ist eine Reportage wert, in der nicht das formvollendet schöne „versemmeln“ vorkommt? Eben.

Mit der faschistoiden Arroganz aller Weltverbesserer beginnen wir hier, an einer neuen Sprache zu arbeiten, und suchen deswegen zunächst einmal Alternativen für martialische Begriffe, um sie in unseren Kneipen durchzusetzen, unter Androhung körperlicher Gewalt, versteht sich.

Ich muss aber gestehen, dass jahrelange Lektüre des Kickers mein Sprachzentrum irreparabel geschädigt hat, weswegen mir persönlich kaum brauchbare Neologismen einfallen, mit einer Ausnahme vielleicht: viel schöner als Abwehrschlacht klingt selbstverstädnlich das eigenartige „Schrubberei“. Ob aber statt der splatterigen Blutgrätsche sich ein Wort wie „Pflug“ durchsetzen könnte, daran habe ich meine Zweifel. Wer ein brauchbares Synonym für „Schuss“ oder „Abwehr“ findet, darf sich jedenfals von mir auf ein Bier eingeladen wissen.

Mit pazifistischen Grüßen! So long.