Christian Wulff und die Piratenpartei. Das ist schon interessant: Wulff kompromittiert sich, indem er einen Fehler zu vertuschen versucht, und reißt sich mit jedem seiner Schritte tiefer in den Abgrund. Die Fraktion der berliner Piraten produziert fragwürdige Situation um fragwürdige Situation, gehen damit aber völlig offen und kommunikativ um. Es ist eine Umwertung des Wortes „fragwürdig“, die sie da vollziehen: Ja, scheinen sie zu denken, da ist ein Interesse an dem, was wir treiben, es ist also einer Frage würdig. Darauf reagieren wir, offen und oft auch ein wenig blauäugig. Und siehe da, es klappt: Wulff steht kurz vor dem Rücktritt, die Piraten landesweit knapp hinter der Linkspartei.

Was hat das denn jetzt mit Fußball zu tun? Man könnte es so sagen: Wulff begreift die Politik als Kunst. Er will ein einheitliches Bild von sich darstellen, abgeschlossen, monolithisch, ein Ideal seiner selbst, eine Stilisierung. Er ist in seiner Außendarstellung sein eigener Porträtist. Und ein Bild zeigt man erst her, wenn es fertig ist: die Kunst verträgt es nicht, wenn man all die Fehlversuche zeigt, die sie gebraucht hat, um zu ihrem jetzigen Zustand zu kommen. Jeder Blick hinter die Kulissen ist eine Entzauberung. Natürlich scheitert auch der Künstler in der Herstellung, aber immer allein, nie vor Publikum.

Ganz anders im Sport: sports is about failure. Im Sport, im Fußball zumahl, schaut man den Spielern dabei zu, wie zehn-, hundert-, tausendmal etwas nicht funktioniert, mit einer Engelsgeduld tut man sich das an, immer in der Hoffnung: Irgendwann kriegt die Pfeife diesen verfluchten Eckball schon richtig hin. Dass etwas nicht hinhaut, ist im Sport die Regel. Etwas sportlich nehmen, das heißt, gelassen genug sein, um Enttäuschungen als Teil des Spiels zu akzeptieren: als wichtigsten Teil des Spiels.

Man wird bescheiden, wenn man viel Sport sieht. Man erwartet keine grandiosen Momente, man erwartet, dass der Spieler, die Mannschaft es unverdrossen weitermacht. So ähnlich sehen das auch Anhänger der Piratenpartei: sie dürfen Fehler machen, sofern sie sich zu ihren Fehlern bekennen, und es das nächste Mal besser versuchen.

Wir erleben sozusagen eine Sportifizierung der Politik (wahrscheinlich sogar aller öffentlichen Felder). Und Wulff hat den Einwurf verkackt.