Stuttgart – Köln? Ich meine: ja, okay, kein uninteressantes Spiel. Nicht ganz so interessant wie, sagen wir, Gladbach – Dortmund. Oder Bayern – Bremen. Oder Leverkusen – Hoffenheim. Ein okayes Spiel, keine Frage, aber man muss vermutlich mit Lukas Podoslki schlafen, um das für das Topspiel dieses Spieltages zu halten.

Ich hab mich immer wieder gefragt, wie Sky seine Topspiele auswählt. Warum das überhaupt Topspiel heißt, und nicht „irgendein Spiel, das aus Vermarktungsgründen um 18.30 stattfindet“. Dann dachte ich: was stellste Dir eigentlich die Frage, frag doch einfach Sky. Also hab ich Sky gefragt, nach welchen Kriterien sie ein Topspiel auswählen, und das haben sie geantwortet:

Selbstverständlich ist es unser Ziel Ihren hohen Ansprüchen, gerade im Sport-Bereich, gerecht zu werden. Da wir mit unserem Topspiel einen Großteil unserer Kunden erreichen wollen, berufen wir uns auf intensive Recherchen des Sehverhaltens unserer Zuschauer. Dass das ausgestrahlte Programm dabei nicht den Geschmack jedes einzelnen Abonnenten trifft, ist uns bewusst.

Ich hab mal letzte Saison nachgerechnet. Es ist ja durchaus schwierig, ein Topspiel zu küren. Es gibt da ja mehrere Anhaltspunkte. Nicht ganz unerheblich ist die Tabellensituation, dachte ich, das könnte doch ein Indikator sein.

Wenn wir also annehmen, die Tabellensituation müsste zumindest eine Rolle spielen, dann setzen wir einen Koeffizienten: Dazu, dachte ich, addiert man die Tabellenplatzierung der Kontrahenten und teilt das durch zwei: damit hat man einen Wert des Spiels, der bestenfalls 1,5 beträgt, schlechtestenfalls 17,5. Das Topspiel könnte jenes Spiel sein, das die höchste Wertigkeit an einem Spieltag hat: Theoretisch müsste es einen Wert zwischen 1,5 (Erster gegen Zweiter) und 9,5 (Erster gegen 18er bzw. Zweiter gegen 17er usw bis hin zu Neunter gegen Zehnter) haben. Dass 9,5 der beste Wert sein wird, ist extrem unwahrscheinlich, denn dann müssten alle Spiele gleichzeitig einen Wert von 9,5 haben.

Ich hab mal letzte Saison nachgerechnet, alle Topspiele, und der durchschnittliche Wert ist 8,71. Und bei gut zwei Dritteln der Spieltage gab es ein oder sogar mehrere andere Spiele, das eine höhere Wertigkeit aufwies. Einmal sogar waren alle andere Spiele höherwertig: als Sky Stuttgart gegen Gladbach zeigte nämlich, den 17. gegen den 18.

Gut, es gibt Spiele, die im Vorfeld spannend sind und eine gewisse Intensität erwarten lassen. Derbys zum Beispiel. Dortmund gegen Schalke, St. Pauli gegen Hamburg, sowas. Aber auch das scheint keine Rolle zu spielen, wie man aus der Liste ersehen kann: Zwei Derbys von überregionalem Interesse im weitesten Sinn waren Topspiel, mehr nicht.

Sky war letztes Jahr nur begrenzt in der Lage, das überraschende und spannende der Saison nachzubilden. Das hier ist die Rangliste der Vereine, nach Häufigkeit als Topspielteilnehmer:

Sechsmal:
Schalke, Bremen, Bayern, Dortmund

Fünfmal:
Mainz

Viermal:
Gladbach, HSV, Lautern, Leverkusen

Dreimal:
Hoffenheim

Zweimal:
St. Pauli, Wolfsburg, Stuttgart

Einmal:
Hannover, Köln

Keinmal:
Freiburg, Nürnberg, Frankfurt

Dass Mainz, Dortmund und Lautern überragende Saisons gespielt haben, bildet diese Tabelle ab: dass aber Hannover nur einmal, Nürnberg und Freiburg gar überhaupt nie top gespielt haben, ist ausgeschlossen. Wo ist denn da der Anspruch geblieben, dem Objekt der Berichterstattung gerecht zu werden?

Bei allem Zynismus, der mich bei der Fernsehfußballberichterstattung überfällt: die Antwort auf meine Frage nach dem Topspiel hat mich überraschenderweise dann doch enttäuscht. Sich auf Einschaltquoten zu berufen, das ist ja immer eine Kapitulation. Das tut man, wenn man keinen Gestaltungswillen mehr hat. Es ist ein Zeugnis einer dekadenten Selbstvergessenheit, die – wie ich finde – das Fernsehen insgesamt auszeichnet. Man kann trefflich darüber streiten, was denn nun ein Topspiel auszeichnet, welche Faktoren es da zu beachten gilt, und selbstverständlich spielt da auch eine Rolle, was die Leute sehen wollen: aber halt nur eine unter vielen. Sich da nur hinter „Recherchen des Sehverhaltens unserer Zuschauer“ zu verstecken, ist langweilig, und wenn Fernsehen eines auf keinen Fall sein sollte, dann das: Langweilig.