Er hat etwas uneindeutiges an sich, etwas unverbindliches. Es ist in seinem Gesicht, in dem die Augen so seltsam unbeweglich stehen, es ist aber auch in seinem Gang. Es ist ein schleppender, lauernder, geschmeidiger Gang, wie bei einer Katze. Philipp Lahm ist ein Intrigant am Ball.

Diese kleinen Haken, die er macht. Diese völlig unspektakulär aussehenden Haken, die den Gegenüber immer wieder aus dem Gleichgewicht bringen. Ohne große Spirenzchen, ohne großes Tamtam: er vernascht die Gegner, ohne übertrieben Freude daran zu haben. Auf dem Platz tut Philipp Lahm das, was nötig ist, um den Ball nach vorne zu bringen.

Man muss sich seinen Jubel nach dem Tor gegen Costa Rica noch einmal ansehen. Wie er zurück läuft zur Mittellinie, und nur die Oberarme nach oben reißt. Wie Frings und Schweinsteiger auf ihn zustürmen, ihn in ihre Fänge kriegen und ihn so gerne unter sich begraben hätten. Und wie er sich dann unter ihnen wegduckt, Ausfallschritt, und Slalom läuft an Podolski vorbei, auf die Bank zu, hinter ihm trabt die ganze Mannschaft her, es sieht nach Auslaufen aus. Am Ende springt er Timo Hildebrandt in die Arme, drückt Ballack nochmal kurz und reckt den Daumen. Das ist kein Jubel, das ist Jubelunderstandment.

Er selbst sagt immer, dass ihm Fußball eine große Freude wäre. Er sagt das mit ausdrucksloser Miene, wie er eigentlich alles mit ausdrucksloser Miene sagt. Es gibt Spieler, bei denen spricht kaum dass sie einen Satz sagen das ganze Gesicht mit, Thomas Müller zum Beispiel. Und es gibt Spieler, bei denen spricht nur der Mund. Philipp Lahm spricht nur mit dem Unterkiefer. Was könnte man diesen Augenbrauen alles an Mimik machen! Aber nein, sie thronen über seinen Augen, unbeweglich wie zwei antike Statuen.

Er lacht auch fast nie, er grinst immer nur. Als Arne Friedrich ihn fragte, wie er sein Tor gegen die Türkei empfunden habe, antwortete Philipp Lahm: „Einfach Freude. Du weißt ja wie es is, da freut man sich einfach, die ganze Freude kommt raus, und das hat man ja auch gesehen an unserem ganzen Jubel.“ So ist Philipp Lahm: Man fragt ihn nach sich, und er sagt: Du, man, uns. Als gäbe es ihn gar nicht. Am Ende lacht er sogar, es ist ein ansteckendes Lachen, genauso wie sein Weinen nach dem Ausscheiden gegen Spanien ein ansteckendes war. Ganz selten blitzt so ein Philipp Lahm durch die Fassade, den man nicht vermutet hätte.

Eine Fassade, die eine strikt eklektizistisch ist. Ob Bild-Zeitung oder Feuilleton, Philipp Lahm hat überall seine Freunde. Seine Autobiografie schreibt er mit dem Ex-Kulturchef der neokonservativen Weltwoche, macht sie in einem kleinen Independent-Buchverlag und verkauft die Vorabdrucke an die Bild: everybodys Darling. Keine Hochzeit ohne ihn.

Es muss ihn verwundert haben, dass man sein Buch nicht mochte, obwohl es nichtssagend war wie ein Exklusivinterview und kontrovers wie eine Waschmittelwerbung. Es hat ihn auch verwundert. Ob er etwas anders machen würde, hat ihn der Merkur gefragt, und er hat natürlich nein gesagt. „Weil das Buch harmlos ist“, das war seine Begründung.

Er hat sich von der Kritik schon längst wieder erholt. Jetzt dient ihm das Buch dazu, darauf hinzuweisen, was für ein mündiger Spieler er ist. Ein ganzes Buch als Finte: und alle sind sie ins Leere gelaufen.